Der Bedarf an Büroflächen sinkt
Deutsche Unternehmen signalisieren bereits einen stark sinkenden Bedarf an Büroflächen. Die Deutsche Bank hat angekündigt, ihre Büroflächen um 40 % zu reduzieren, die Deutsche Telekom sogar um 50 %. Diese Zahlen bekräftigen die Ergebnisse einer ifo-Umfrage, die zeigen, dass sich der Anteil der ungenutzten Arbeitsplätze in Büros seit 2019 verdreifacht hat. Jeder achte Schreibtisch in deutschen Büros ist ungenutzt. „Aktuell sind 12,3 % aller Arbeitsplätze vor Ort an einem durchschnittlichen Tag wegen Homeoffice nicht ausgelastet. Vor Corona im Jahr 2019 waren es nur 4,6 %“, sagt ifo-Experte Simon Krause. Insbesondere in den Branchen der Informationstechnik, Werbung und Marktforschung, Unternehmensberatung sowie der Pharmaindustrie bleiben Büros zunehmend unbesetzt.
Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet mehrmals die Woche im Homeoffice, was zu ungenutzten Arbeitsplätzen im Büro führt.
Multifunktionale Spaces
Hybride Modelle prägen die Zukunft der Arbeitswelt und transformieren sogleich den Anspruch an Büroflächen. Es bedarf flexibler, multifunktionaler Strukturen und genau dafür müssen leer stehende Immobilien umfunktioniert und genutzt werden. Cooperate Offices können unterschiedliche Kombinationen von Menschen, Unternehmen und Organisationen zusammenbringen. Flächen werden je nach Bedarf aufgeteilt, wodurch sich neue Synergien ergeben. So sinnvoll und smart das klingen mag, doch ist diese Art von Flächennutzung realitätsnah und umsetzbar?
Allianz-Park in Stuttgart als Beispiel
Zunächst einmal sollte konsequenter über den tatsächlichen Bedarf nachgedacht werden. Das kann bedeuten, auch bestehende Bauvorhaben nochmals in Frage zu stellen. Ein sehr vorbildliches Beispiel dafür ist der Allianz-Park in Stuttgart-Vaihingen, der neue Sitz der Allianz Lebensversicherungs-AG. Für 4500 Mitarbeitende wird hier ein komplett neuer Standort in einem Außenbezirk geschaffen, der voll auf den hybriden Arbeitsmodus eingestellt ist und auf die Prämisse angepasst wurde, dass die Mitarbeitenden auch künftig ca. die Hälfte der Arbeitszeit mobil arbeiten. Dadurch fällt der Standort kleiner aus als ursprünglich geplant. Das bringt gleich zwei Vorteile mit sich: Der Neubau kann kleiner ausfallen als bisher geplant und perfekt auf hybrides Arbeiten zugeschnitten werden. Die bisherigen Innenstadt-Standorte werden frei für Wohneinheiten. Diese sind gerade im Stuttgarter Kessel rar und damit deutlich wertvoller als Schreibtische, die dann im Zweifel meist unbesetzt bleiben. Doch was tun mit bereits vorhandenen Flächen, bei denen eine Verkleinerung keine sinnvolle Lösung ist?
Auch im Drees & Sommer Workspace Benchmark Report 2022 rechnen 61 % der 230 Teilnehmenden aus verschiedenen Unternehmen und rund 20 unterschiedlichen Branchen mit einer Flächenreduktion der Arbeitsfläche.
Flexible und multifunktionale Konzepte sind gefragt
Im Einzelhandel findet durch Pop-Up Stores bereits eine Konversion von leerstehender Ladenfläche statt. Durch den boomenden E-Commerce haben sich flexibel und kurzzeitig mietbare Flächen zur neuen Einzelhandel-Strategie entpuppt. Durch digitale Plattformen und Tools werden multifunktionale Immobilien auch in anderen Sektoren zur Chance für mehr Flexibilität. In Stuttgart können beispielsweise im kostenlosen Portal roomstr freie Gewerbeflächen gesucht und inseriert werden. Angebote leer stehender Immobilien und Nachfrage von Unternehmer*innen werden gematcht und eröffnen die Möglichkeit für flexible Konzepte wie Coworking Spaces und Kreativzentren. Dass auch das Institut für Handelsforschung (IFH) im Rahmen des Projekts „Stadtlabore für Deutschland – Leerstand und Ansiedlung“ die Matching-Software LeAn entwickelt hat, zeigt den Drang nach Lösungen. Die Software vermittelt ebenso leerstehende Immobilien in deutschen Innenstädten.
Fractional Real Estate
Während es beim Konzept der Pop-Ups um die bessere Auslastung von ungenutzten Immobilien geht, bringt der Trend des Fractional Real Estate diese Idee auf das nächste Level. Fractional Real Estate sind „zerstückelte Gewerbeimmobilien“, die ein und dieselbe Fläche für unterschiedliche Nutzungsarten kommerzialisieren. Ganz nach dem Motto: Von Montag bis Freitag Büro und Kunstausstellung am Wochenende. Oder Yogastudio bei Tag und Club in der Nacht. Modulare Flächen und flexibles Mobiliar machen es möglich.
Innovation braucht Face-to-Face-Austausch
Nichtsdestotrotz hat auch in einer zunehmend digital stattfindenden Arbeitswelt das Office eine zentrale Bedeutung, die jedoch transformiert werden muss. Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der Technischen Universität München, war bereits 2020 überzeugt: „Für Innovation ist Austausch wichtig. Und dafür braucht man Interaktion – face to face.“ Innovation und Ideenentwicklung sei unmöglich, wenn jeder zuhause vor dem eigenen Computer sitzt. Aus der Sicht von Thierstein ist der Leerstand von Büros in erster Linie davon abhängig, welche Aufenthaltsqualität sie haben.
Individuelle Formate
Und auch wir sind überzeugt: Leere, offene Raumkonzepte mit Reihe um Reihe ungenutzter Schreibtische sind nicht mehr zeitgemäß. Daher lohnt sich eine Analyse: Was tun wir heute und vor allem zukünftig wirklich (noch oder wieder) im Büro? Die Räume müssen dann konsequent auf diese Nutzungsformen angepasst werden. Insbesondere Großraumbüros sind für die digitalisierte Arbeitswelt einfach nicht mehr das richtige Format, da hier weder konzentriert für sich, noch interaktiv mit anderen besonders gut gearbeitet werden kann. Flexible Meetingräume in unterschiedlichen Größen als auch Einzelarbeitsräume für Stillarbeit und Videokonferenzen sind hier mittlerweile die deutlich bessere Wahl. Hybrid Work braucht multifunktionale Spaces und auch hier gilt, wie bei der gesamten Strategie zum hybriden Arbeiten: Die Lösungen werden individueller und One-Size-Does-Not-Fit-All!