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Arbeitsmodelle

Die Vier-Tage-Woche: Ein Interview mit Ralf Koch

Von 11. Oktober 2023Oktober 23rd, 2023Keine Kommentare

Das Prinzip der Vier-Tage-Woche kennen mittlerweile viele – spätestens seit eine Studie aus Großbritannien Anfang des Jahres Schlagzeilen machte. Darin haben 61 Unternehmen für ein halbes Jahr die Vier-Tage-Woche getestet und das mit positivem Ergebnis. Weniger Stress, geringerer Krankenstand und höhere Produktivität wurden festgestellt. 56 Unternehmen waren sogar so zufrieden, dass sie das Modell dauerhaft eingeführt haben. Der Unternehmer Ralf Koch hat die Vier-Tage-Woche in seinem Betrieb mit Erfolg etabliert und berichtet in diesem Interview über Herausforderungen und Reaktionen der Belegschaft.

Best Practice: Einführung eines Vier-Tage-Modells

Was bedeutet die Vier-Tage-Woche?

Die Bezeichnung steht für sich: Es wird nur noch an vier Tagen in der Woche gearbeitet. Bei der Umsetzung gibt es allerdings Unterschiede und in der Regel zwei Varianten. Entweder wird die bisherige Wochenarbeitszeit auf vier statt fünf Tage verteilt, wodurch an vier Tagen länger gearbeitet wird. Alternativ bleibt die Arbeitszeit pro Tag gleich, wodurch sich die Arbeitszeit um 20% reduziert. Bei beiden Varianten bleibt das Gehalt gleich.

Erwartungsgemäß würde man die Vier-Tage-Woche bei jungen, agilen Start-Ups aus der IT Branche verorten. Die Beratung Innovation Betreuung GmbH von Ralf Koch fällt sicher nicht in diese Kategorie. Trotzdem hat das Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt und ist begeistert. Auch die Ergebnisse der Studie „Four-Day-Week Pilot“ in Großbritannien ist eindeutig: 96 % der Befragten wollen die kurze Woche beibehalten.

Studie Four-Day-Week Pilotprojekt

Ein Blick auf die Ergebnisse der Studie in Großbritannien lohnt sich allemal, um für zukünftige Diskussionen gewappnet zu sein – denn diese werden kommen. Bei 4-Day-Week werden die Ergebnisse der groß angelegten Studie präsentiert.

Ein Interview mit dem Unternehmer Ralf Koch

Was macht Ihr Unternehmen und wie viele Mitarbeiter*innen haben Sie?

Mit insgesamt 5 Personen unterstützen wir Schwerbehinderte und Rehabilitanden, ins Leben und in die Arbeitswelt zurückzufinden. Darüber hinaus bieten wir Dienstleistungen im Bereich Qualitätsmanagement an.

Wann haben Sie die Vier-Tage-Woche eingeführt und warum?

Seit fünf Jahren arbeiten wir nach der DIN-Spezifikation „Service Excellence“. Dabei stehen Kundenbegeisterung statt Kundenzufriedenheit im Fokus. Aber das System geht noch sehr viel weiter. Bezogen auf die Mitarbeiter*innen bedeutet das unter anderem ein erweitertes Mitspracherecht. So werden in unserem Unternehmen alle Entscheidungen, vom Lohn über Prämien bis hin zur strategischen Ausrichtung gemeinsam getroffen.

Anfang dieses Jahres hatte eine Mitarbeiterin die Idee mit der Vier-Tage-Woche. Nachdem wir das Thema diskutiert hatten, haben wir beschlossen, es einfach auszuprobieren. Voraussetzung war allerdings der einstimmige Beschluss und dass jede*r Einzelne ein Vetorecht hat. Nach einer viermonatigen Testphase haben wir das Modell im Juni dauerhaft eingeführt.

Welche Variante der Vier-Tage-Woche haben Sie eingeführt?

Gleicher Lohn für vier statt fünf Tage. Der Freitag fällt weg und die Arbeitszeit wird nicht auf die anderen Tage umverteilt. Das würde ja sonst zu einer Überbeanspruchung an den übrigen Tagen führen.

Auch vor der Vier-Tage-Woche galt bei uns die Anweisung, dass keine Überstunden gemacht werden dürfen. Aber ich gebe zu, dass ich als Geschäftsführer ab und zu freitags arbeite.

Gerade in der Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern ist die Umsetzung manchmal schwierig. Da klingelt schon auch mal freitags das Telefon. Aber es gibt auch Partner, für das kein Problem ist.

Hatten Sie auch Befürchtungen? Wurden diese bestätigt oder widerlegt?

Natürlich gab es am Anfang Zweifel, ob das alles problemfrei umsetzbar ist. Wenn die Gehälter gleichbleiben sollen, muss die Arbeit ja in vollem Umfang wie bisher erledigt werden. Die große Herausforderung lag darin, dass unsere Klienten mindestens einmal die Woche zu festen Terminen zu uns kommen. Dadurch wurde der Zeitrahmen für alle Tätigkeiten außerhalb dieser Termine sehr eng. Im ersten Monat war das noch holprig, aber wir haben Wege gefunden, in den reduzierten Stunden deutlich effizienter zu arbeiten.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Wesentliche Instrumente waren eine neue Aufgabenverteilung und Bündelung von Aufgaben. Wenn nicht jeder alles macht, kann sich der Einzelne besser auf seine Aufgaben konzentrieren und wird dadurch schneller. Außerdem muss die technische Ausstattung auf dem neusten Stand und der Arbeitsplatz gut ausgestattet sein, damit man konzentriert arbeiten kann.

Dann ist es noch wichtig Störfaktoren auszuschließen. Also kleine Zeitfresser, die einen von der Arbeit abhalten. In diesem Zusammenhang haben wir z.B. viel an der Kundenkommunikation verbessert. Wenn man das alles konsequent umsetzt, entstehen die nötigen Freiräume.

Welche Auswirkungen konnten Sie durch die Einführung der Vier-Tage-Woche beobachten?

Zufriedene Gesichter am Montagmorgen. Kein Einbruch im Unternehmensergebnis.

Welche Reaktionen gab es in Ihrem Umfeld?

Die waren gemischt. Manche standen dem Ganzen sehr skeptisch gegenüber. Andere reagierten sehr positiv und viel sagten, dass sie auch gerne so arbeiten würden. Unterm Strich würde ich, sagen, dass es etwas mehr positive Reaktionen gab.

Wo sehen Sie Grenzen für das Vier-Tage-Modell?

Das Funktionieren des Vier-Tage-Modells hängt meiner Meinung nach vom Engagement jedes einzelnen Mitarbeiters ab. Wenn alle an einem Strang ziehen, ist es umsetzbar. Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger wird die Umsetzung, weil viele verschiedene Persönlichkeiten zusammenkommen. Ein Workaholic würde beispielsweise verzweifeln, wenn er freitags nicht mehr arbeiten darf. Andere könnten versuchen, das System auszunutzen.

Grenzen sehe ich auch, wenn Unternehmen in Schichtmodellen oder nach bestimmten Taktzeiten arbeiten. Dafür bräuchte man 20% mehr Personal, was bei den aktuellen Bedingungen am Arbeitsmarkt und auch finanziell kaum umsetzbar ist.

„Man braucht für die Dinge so viel Zeit, wie man dafür hat.“

Ralf Koch
Portrait Ralf Koch

Eine Vier-Tage-Woche ist sicherlich für viele Unternehmen interessant und muss individuell diskutiert werden, immerhin wünschen sich drei Viertel aller Deutschen ein solches Arbeitsmodell. Im Podcast „Ideenimport“ wird letzteres im Kontext der Work-Life-Balance diskutiert. Trotz der Begeisterung und der positiven Ergebnisse unterschiedlicher Testläufe der kurzen Woche, muss dieses Arbeitsmodell kritisch beäugt werden. Allein die Tatsache, dass die Tauglichkeit in vielen Produktionsbetrieben nicht gegeben ist, bringt Debatten der Arbeitgeber auf den Tisch.